Page 16 - „Helft-uns-helfen!“
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Leser eine Vorstellung davon erhält, unter welchen Umständen die Frauen ihren Dienst verrichtet haben. Besonders beeindruckt hat mich das Tagebuch der Eleonore Kalbfleisch aus Gelnhausen. Sie hat über ihren Lazaretteinsatz geschrieben.
Die Akten stammen aus einer Zeit, die als das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte und des Deutschen Roten Kreuzes bezeichnet wird. Erhard Bus hat in „Lasset uns Gutes tun und nicht müde werden!“ die Gleichschaltung des Roten Kreuzes beschrieben, die auch vor dem Kreisverband Gelnhausen nicht haltmachte – organisatorisch, personell und politisch. Haben Sie dafür Belege
bei Ihrer Arbeit gefunden?
In den Akten lassen sich vielfältige Belege für die Gleichschaltung des Roten Kreuzes im Altkreis Gelnhausen finden. Kein Wunder, denn bei den Wahlen zum Reichstag im März 1933 stimmten 57,1 Prozent der Wahlberechtigten in der Stadt Gelnhausen für die NSDAP. Kurze Zeit später übernahm die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) die Kontrolle über das gesamte Sozialwesen, die Gemeindepflegestationen standen nun unter der Leitung der NSV und das Rote Kreuz musste sich aus seinem traditionellen Aufgabenfeld zurückziehen. Das DRK wandte sich in den folgenden Jahren seiner neuen Hauptaufgabe zu, der „Kriegskrankenpflege“.
Sie haben auch die Vorgeschichte untersucht. Wenn Sie Eintragungen vor und nach der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten vergleichen: Haben Sie in der Art der Eintragungen oder bei den Themen, die behandelt werden, Unterschiede festgestellt?
Die Unterschiede sind nicht auf Anhieb sichtbar. Auf den ersten Blick erfassen die Akten nur Daten. Mir scheint, als wären diese Angaben nach der Gleichschaltung systematischer erfasst worden. Eines hat sich auf jeden Fall verändert: Vor einer anstehenden Beförderung, beispielsweise zur Wachtführerin oder Gruppenführerin, musste zuerst eine Anfrage bei der NSDAP gestellt werden, ob in „politischer Hinsicht Bedenken“ bestünden. Zu finden sind in den Akten auch Anforderungen, wie viele Rotkreuzhelferinnen an einen bestimmten Ort zu schicken waren. Die Kreisstelle musste eine bestimmte Anzahl an Frauen für Aus- landseinsätze in Lazaretten melden. Da lässt sich schon ein gewisser Druck herauslesen. Was nicht in den Akten steht: Nationalsozialistisches Gedankengut wurde Bestandteil der Ausbildung zur Schwesternhelferin, „weltanschaulicher Unterricht“ wurde als verpflichten- des Unterrichtsfach aufgenommen. All das zeigt: Die NSDAP griff in alle Lebensbereiche maßgeblich ein. Auf diese Weise stellte die Partei sicher, dass sich im Roten Kreuz nur linientreue Frauen engagierten.
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