Page 205 - „Helft-uns-helfen!“
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Die Prüfung war schwer und umso stolzer waren die jungen Frauen, sie bestanden zu ha- ben. In den folgenden Jahren war Johanna Almeritter wie alle anderen Schwesternhelferin- nen mit den fatalen Folgen des Kriegs konfrontiert und konnte oft nur notdürftig helfen. Zur Verfügung standen ihr einfache Hilfsmittel. Nicht nur medizinische Versorgung war gefragt, sondern vor allem Menschlichkeit sowie Trost und Ermutigung für die vielen Verletzten.
Bei Luftschutzübungen musste Johanna Almeritter die Men-
schen in die Schutzkeller begleiten, durfte aber selbst nicht
im Keller bleiben. Wenn sie mit ihrer Tasche unterwegs
war, um Menschen zu versorgen, gab es oft Fliegeralarm.
„Da haben wir einfach unserer Fahrräder fallen gelassen
und im Straßengraben Deckung gesucht“, erinnert sie sich.
Besseren Schutz gab es in dieser Zeit nicht für sie.
Johanna Almeritter wurde benachrichtigt, wenn am Geln-
häuser Bahnhof Züge mit Kriegsverletzten ankamen. Diese
Aufgabe übernahm ein Melder, der mit dem Motorrad durch
die Orte fuhr. In jedem Ort gab es ein spezielles System der
Benachrichtigung. Anschließend machten sich die Helfe-
rinnen mit dem Fahrrad auf den Weg nach Gelnhausen.
„Wir wussten nie, wie lange der Einsatz dauern würde“, erzählt sie. „Es war immer auf un- bestimmte Zeit, bis irgendwann eine Ablösung kam. Vor Ort versorgten die Schwestern- helferinnen die verletzten Soldaten mit Essen und Getränken. Sie erneuerten Verbände und kümmerten sich um Verletzungen. Dabei waren Binden Mangelware und durften nur spar- sam eingesetzt werden. „Wir mussten mit primitiven Mitteln arbeiten“, betont sie. Wenn die Binden nicht passten, wurden sie einfach geteilt. „Das war eine sehr traurige Zeit“, bilanziert Johanna Almeritter. Irgendwie schafften es die Helferinnen, nicht nur ihren Mut zu bewahren, sie sprachen den Verwundeten sogar noch Mut zu. Auf diese Weise setzten sie Zeichen der Menschlichkeit – in einem menschenverachtenden System und einem unmenschlichen Krieg. Viele Rotkreuzschwestern und -Helferinnen aus der Region um Gelnhausen wurden ins In- oder ins besetzte Ausland geschickt, um dort zu helfen. Auch Johanna Almeritter erhielt Nachricht, sie solle sich nach Dresden begeben. Doch sie verwies auf ihre familiäre Situation: Ihre beiden Brüder waren im Krieg – und kamen beide nicht zurück. Der Vater arbeitete bei der Eisenbahn. Weil er sich weigerte, in die NSDAP einzutreten, wurde er zum Dienst nach Polen versetzt. Die junge Johanna wollte ihre Mutter auf keinen Fall allein- lassen. Sie stellte einen Antrag und durfte schließlich in Neuenhaßlau bleiben.
✚ Johanna Almeritter in jungen Jahren und als Rotkreuzschwester (Fotos: privat)
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