Page 209 - „Helft-uns-helfen!“
P. 209

aufzunehmen. Da es sich dabei meist nur um einige Minuten handelte, mussten wir uns natürlich sehr beeilen. Ich entsinne mich auch noch an den damaligen Bürgermeister von Wittgenborn, der für unsere Zwecke auf einmal 3.000 Eier an den Bahnhof brachte, die wir rasch zubereiteten, um sie an die Soldaten ausgeben zu können.
Den Bahnhofsdienst verrichteten damals unsere Rotkreuzleute. Zumeist handelte es sich dabei um Mädchen und jüngere Frauen. Ich sehe es heute noch vor meinen Augen, wie Irmgard Möller mit dem Fahrrad am Bahnsteig entlangfuhr, um so möglichst schnell Ess- bares an die Soldaten zu verteilen. Allein am 8. Mai 1945 fuhren fünf Transporte mit Kriegs- gefangenen im Gelnhäuser Bahnhof ein, die wir alle versorgen konnten.
Ich erinnere mich auch noch an einen Tag im Mai, an dem ein Zug drei Stunden lang un- mittelbar vor unserem Bahnhof stand, weil herzkranke Soldaten ins Gelnhäuser Kranken- haus verbracht werden mussten. Während dieses langen Aufenthalts nahm ein Soldat eine Geige zur Hand und spielte das Largo von Georg Friedrich Händel. Bald nachdem er angefangen hatte zu spielen, wurde es plötzlich mucksmäuschenstill. Hunderte von Sol- daten und auch wir Rotkreuzhelferinnen lauschten der Musik. Ich habe Musik später nie wieder so eindringlich wahrgenommen wie an diesem Tag im Mai 1945.
Bei einer anderen Gelegenheit haben wir für ungefähr 6.000 Mann Verpflegungsportionen vorbereitet, die wir dann in einem angehängten Waggon verstaut haben, bis der Zug wei- terfuhr. Der letzte Transport mit Kriegsgefangenen dürfte etwa Mitte Mai durch Gelnhau- sen gerollt sein.
Hilde Ries:
Ich habe auch einige Male Dienst am Gelnhäuser Bahnhof gemacht. Einmal war ich zum Nachtdienst eingeteilt. Dabei habe ich für einige wenige Stunden auf einer Luftmatratze geschlafen. Manchmal hielten die Züge gar nicht an, sondern fuhren nur ganz langsam durch den Bahnhof. Bei einer solchen Gelegenheit mussten wir unsere Verpflegungspor- tionen hoch in die Züge werfen.
Elisabeth Vormwald:
Eine derartige Situation hat mein Schulkamerad Lutz Hundelshausen ausgenutzt, um aus dem langsam fahrenden Zug abzuspringen und zu fliehen.
1 „Gelbkreuz“ war die Bezeichnung für verschiedene Hautkampfstoffe im Ersten Weltkrieg, die ihren Namen der Kennzeichnung mit gelben Ringen oder Kreuzen verdanken.
2 Gemeint ist Karfreitag, der 30. März 1945. In der Karwoche und den Ostertagen 1945 eroberten Truppen der US-Armee den gesamten Kreis Gelnhausen.
 207
 























































































   207   208   209   210   211