Page 76 - „Helft-uns-helfen!“
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und führte auch rassenpolitische Schulungen für die männlichen Angehörigen des DRK an dessen Reichsführerschulen durch. Auch in den Landes- und Kreisstellen wurden rassenpolitische Ämter eingerichtet.108
Ab dem 3. Januar 1942 wurde die weltanschauliche Schulung bei der Ausbildung zur Schwester vom Schulungsamt der NSDAP übernommen. Bei einer vorgeschriebenen Stundenzahl von 200 Stunden insgesamt nahm dieser Bereich 40 Stunden ein. Das waren 20 Prozent der Unterrichtszeit.109 Bei der Prüfung mussten rassenpolitische Fragen beant- wortet werden. Ingeborg Ochsenknecht erinnert sich an ihre Prüfung:
„Schließlich mussten wir noch ein paar politische Fragen beantworten. Einige Beamte waren extra dafür aus Weimar oder Berlin nach Meiningen angereist, und jede Schwester muss- te einzeln vor diesem Gremium erscheinen. Ich wartete im Gang, als Schwester Gertrud heulend aus dem Zimmer trat, in dem die politische Prüfung gehalten wurde. Sie hatte sie nicht bestanden, war gerügt worden, durfte aber einige Tage später zur Wiederholung antreten, trotzdem ärgerte sie sich sehr über sich selbst. ‚Sie fragten mich, was nach dem Dritten Reich kommt‘, erzählte sie unter Tränen, ‚und ich, dumme Kuh, antwortete sofort: Das Vierte Reich! Als wüsste ich es nicht! Ach, was bin ich dumm gewesen, wie konnte ich nur so dumm sein!‘ ‚Nichts kommt nach dem Dritten Reich, das Großdeutsche Reich ist das ewige Reich, das Tausendjährige Reich wird ewig dauern‘, das hätte sie sagen sollen. Als ich drankam, war ich gewappnet. Ich wusste, was die Prüfer hören wollten, trat ein und begrüßte sie mit einem kräftigen ‚Heil Hitler!‘, beantwortete zwei kinderleichte Fragen über Horst Wessel und durfte gehen. Damit hatte ich meinen Berufsabschluss in der Tasche.“ 110
Doch nicht nur die Rotkreuzler wurden rassenpolitisch geschult.
„Kernbotschaft der ‚Glaubens‘-Sätze war natürlich auch bei den Mädchen die ‚Rassenleh- re‘ – der Wahn von ‚gutem‘ und von ‚schlechtem‘ Blut. Die Überlegenheit der ‚arischen‘ Rasse im Allgemeinen – und im Besonderen gegenüber den Juden – wurde im Lehrma- terial des BDM [Bund Deutscher Mädel, weiblicher Zweig der Hitlerjugend, Anmerkung der Autorin] ebenso vermittelt wie in der Schule. Selbst im Kinderbuch wurde die Saat des Unrechts gelegt. Ein Zitat aus dem von den Zeitzeugen oft zitierten Pamphlet ‚Der Giftpilz‘: ‚Es gibt gute Pilze, und es gibt schlechte Pilze. Es gibt gute Menschen, und es gibt schlechte Menschen. Die schlechten Menschen sind die Juden. Aber es ist oft recht schwer, die schlechten Menschen von den guten zu unterscheiden.‘“111
 




























































































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